Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Webb erforscht die extreme Starburst-Galaxie M82


Auf der linken Seite ist die Starburst-Galaxie M82 zu sehen, wie sie 2006 vom Hubble-Weltraumteleskop der NASA beobachtet wurde. Der kleine Kasten im Kern der Galaxie entspricht dem Bereich, der bisher vom NIRCam-Instrument (Nahinfrarotkamera) am James-Webb-Weltraumteleskop der NASA aufgenommen wurde. Die roten Filamente, wie sie in der Aufnahe von Webb zu sehen sind, sind die polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffemissionen, die die Form des galaktischen Windes nachzeichnen. Quelle: NASA, ESA, CSA, STScI, A. Bolatto (Universität von Maryland).

Astrophysiker der Universität Heidelberg werden Beobachtungsdaten des James-Webb-Weltraumteleskops der Galaxie Messier 82 nutzen, um ihre hochmodernen Computermodelle zur "Sternentstehung unter extremen Umweltbedingungen" zu testen. Die Beobachtungen und ihre Analyse wurden zur Veröffentlichung im "Astrophysical Journal" angenommen.

Ein Team von Astronomen, darunter die Astrophysiker Ralf Klessen und Simon Glover von der Universität Heidelberg, hat mit dem James-Webb-Weltraumteleskop der NASA die "Starburst-Galaxie" Messier 82 (M82) durchmustert. In dieser bemerkenswerten Galaxie, die 12 Millionen Lichtjahre entfernt ist, werden neue Sterne zehnmal schneller geboren als in der Milchstraße. Daher gilt sie als Musterobjekt für die Untersuchung der Entstehung neuer Sterne unter extremen Bedingungen.

Unter der Leitung von Alberto Bolatto von der University of Maryland, College Park, richtete das Wissenschaftsteam das NIRCam-Instrument von Webb in Richtung des Zentrums der Starburst-Galaxie, um die dortigen physikalischen Bedingungen zu untersuchen, die die Entstehung der neuen Sterne begünstigen.

Ralf Klessen, Co-Autor und Experte für die theoretischen Grundlagen und numerischen Simulation der Sternentstehung, freut sich über die neuen Daten. "Die Prozesse in M82 sind extrem komplex, aber genau deshalb ist dieses Objekt ein idealer Anwendungsfall für unsere theoretisch-numerischen Vorhersagen und damit für unser Verständnis der zugrundeliegenden physikalischen Prozesse", sagte er.

Sternentstehung ist in der Regel schwer zu beobachten, da sie von "Vorhängen" aus Staub und Gas umhüllt ist. Aber Webbs Fähigkeit, im Infraroten mit hoher Winkelauflösung durch diese Vorhänge hindurch zu blicken, ist ein entscheidender Vorteil.

Prof. Dr. Klessen und seine Forschungsgruppe am Institut für Theoretische Astronomie des Zentrums für Astronomie der Universität Heidelberg (ZAH) sind international federführend an der Entwicklung einer Theorie der Sternentstehung beteiligt, die auf dem Zusammenspiel von interstellarer Turbulenz und Gravitation basiert. Ihr Ansatz ist von hoher Vorhersagekraft und bemerkenswert erfolgreich bei der Erklärung der Geburt von Sternen im komplexen mehrphasigen interstellaren Medium. "Diese neuen und exzellenten Daten werden es uns ermöglichen, unsere Modelle zu testen oder - umgekehrt - vorherzusagen, was wir im Infraroten sehen. Wir werden unsere Ergebnisse mit den Beobachtungen von Webb vergleichen können", fasst Klessen zusammen.

Was man auf Webbs Bildern sieht, sind dunkelbraune Ranken aus Staub, die sich durch den glühenden Kern von M82 ziehen und sich über bzw. unter der Ebene der Galaxie erstrecken. Dies sind Anzeichen für einen "galaktischen Wind", der aus dem Kern des Starbursts herausströmt. Zu verstehen, wie dieser galaktische Wind, der durch die hohe Sternentstehungsrate und die anschließenden Supernovae in Kombination mit dem Vorhandensein von Magnetfeldern und kosmischer Strahlung verursacht wird, in Gang gesetzt wird und seine Umgebung beeinflusst, ist ein Schwerpunkt des Forschungsteams. Webb konnte die Feinstruktur des Windes anhand der Emission chemischer Moleküle, die als polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) bekannt sind, aufdecken. PAK kann man als sehr kleine Staubkörner betrachten, die bei kühleren Temperaturen überleben, aber unter heißen Bedingungen zerstört werden.

Die PAK-Strahlung, die im Bild als rote Filamente dargestellt ist, erstreckt sich von der zentralen Region weg, in der sich das Herz der Sternentstehung befindet, und ähnelt in ihrer Struktur überraschend der Emission und Struktur des heißen, ionisierten Gases. Dies war überraschend, da PAK nicht sehr lange überleben sollen, wenn sie einem starken Strahlungsfeld ausgesetzt sind, was unsere Theorien zur Sternentstehung herausfordert. Gleichzeitig handelt es sich um eine neue Erkenntnis, die das Forschungsteam um Ralf Klessen bei der numerischen Modellierung der zugrundeliegenden Prozesse berücksichtigen wird.

Das Wissenschaftsteam wird in naher Zukunft auch spektroskopische Beobachtungen von M82 von Webb für seine Analyse bereithalten, sowie ergänzende großräumige Bilder der Galaxie und des Windes. Diese Daten werden es ermöglichen abzuschätzen, wie lange jede Phase der Sternentstehung in einer Starburst-Galaxienumgebung dauert, und den Sternentstehungstheorien helfen, ihre Modelle zu verfeinern.

 

ORIGINALPUBLIKATION
Alberto D. Bolatto, ..., Ralf S. Klessen, ..., Simon C. O. Glover et al., JWST Observations of Starbursts: Polycyclic Aromatic Hydrocarbon Emission at the Base of the M 82 Galactic Wind, angenommen zur Veröffentlichung in "The Astrophysical Journal"

 

ÜBER DAS JAMES-WEBB-WELTRAUMTELESKOP (WEBB)

Webb ist das weltweit führende Weltraumobservatorium, das Rätsel in unserem Sonnensystem löst, über den Tellerrand hinaus auf ferne Welten um andere Sterne blickt und die mysteriösen Strukturen und Ursprünge unseres Universums und unseres Platzes darin untersucht. Webb ist ein internationales Programm, das von der NASA mit ihren Partnern, der ESA (European Space Agency) und der Canadian Space Agency, geleitet wird. Siehe auch webb.nasa.gov

 

ZUSATZINFORMATION
Forschungsgruppe Ralf Klessen
Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg (ZAH)

 

WISSENSCHAFTLICHER KONTAKT
Prof. Dr. Ralf Klessen

Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg (ZAH)
Institut für Theoretische Astrophysik (ITA)
klessen@uni-heidelberg.de

 

LOKALER ANSPRECHPARTNER FÜR DIE MEDIEN
Dr. Guido Thimm
Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg (ZAH)
thimm@uni-heidelberg.de

 

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