Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Planeten in der lebensfreundlicher Zone nachgewiesen


Die Abbildung zeigt Messungen der Geschwindigkeiten, mit denen sich der Stern Wolf 1069 um den Mittelwert auf uns zu oder von uns wegbewegt. Die Messpunkte wurden dabei zeitlich so angeordnet, dass sie die Umlaufperiode des Planeten abbilden. Dadurch wird die winzige aber signifikante Variation der Bewegung deutlich, die durch den in 15.56 Tagen umlaufen Planeten mit der 1.3-fachen Erdmasse verursacht wird und durch die graue Linie mit den schwarzen Punkten verdeutlicht wird. (© D. Kossakowski et. al. aus A&A 2023)

So wie auf dieser künstlerische Darstellung könnte der Blick von Wolf 1069 auf seinen Heimatstern aussehen. Sollte der Planet eine Atmosphäre besitzen, so könnte man dort sogar flüssiges Wasser und lebensfreundliche Bedingungen vorfinden. (© NASA/Ames Research Center/Daniel Rutter)

Heidelberger Astronom*innen haben in nur 30 Lichtjahren Entfernung einen Planeten nachgewiesen, der seinen Heimatstern in dessen bewohnbarer Zone umkreist. Die Entdeckung gelang mit Messungen, die mit dem Spektrografen CARMENES durchgeführt wurden, mit dem spanische und deutsche Wissenschaftler*innen seit 2016 auf der Suche nach bewohnbaren  Planeten sind. Die Studie wurde jetzt in „Astronomy & Astrophysics“ veröffentlicht.

Entdeckt wurde der neue "Wolf 1069 b" getaufte Planet mit der sog. Radialgeschwindigkeitsmethode. Dazu wird die periodische Bewegung des Sterns und seines Planeten um den gemeinsamen Schwerpunkt gemessen. Die Forschenden um Diana Kossakowski vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg haben den Stern dazu fast vier Jahre lang regelmäßig mit CARMENES beobachtet. Das Instrument zerlegt das Licht des Sterns in seine Spektralfarben. Aus der periodischen Verschiebung dunkler Spektrallinien die entsteht, wenn sich der Stern auf seiner Bahn auf den Beobachter auf der Erde zu bzw. von ihm weg bewegt, konnte der Planet damit indirekt nachgewiesen. Damit schreibt das Team die Heidelberger Astronomiegeschichte fort, denn der Heimatstern des Systems trägt den Namen von Max Wolf, dem Gründer und ersten Direktor der Landessternwarte auf dem Königstuhl, der den Stern 1920 von Heidelberg aus erstmals katalogisiert und beschrieben hat.

„Wolf 1069 b umkreist seinen Stern in nur 15,6 Tagen. In unserem Sonnensystem würde dieser Orbit weit innerhalb der Merkurbahn liegen. Da der Stern aber nur etwa ein Sechstel der Sonnenmasse besitzt, ist seine Leuchtkraft allerdings deutlich geringer als die unserer Sonne.“, erklärt Koautor Dr. Jonas Kemmer, Wissenschaftler an der Landessternwarte Königstuhl, die zum Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg gehört. „Die Bedingungen sind sogar so günstig,  dass flüssiges Wasser auf der Planetenoberfläche möglich ist. Man spricht dann auch von einem Planeten in der bewohnbaren Zone“.

Dr. Kemmer hat das Forscherteam unter anderem bei der Modellierung der Daten unterstützt. Im Frühjahr 2022 hat er an der Landessternwarte über die Suche nach massearmen Planeten um M-Sterne promoviert. 

Ob der Planet tatsächlich bewohnbar ist, hängt jedoch von weiteren Faktoren ab, die in einer zukünftigen Studie näher untersucht werden. Der Heimatstern neigt aber vor allem kaum zu  Sonnenstürmen, was eine intakte Atmosphäre des Planeten wahrscheinlicher macht. Außerdem deuten erste Simulationen des vorherrschenden Klimas darauf hin, dass Wolf 1069 b moderate Temperaturen und flüssiges Wasser auf der Oberfläche für eine große Vielfalt atmosphärischer  Zusammensetzungen und Oberflächentypen bieten könnte.

Derartige Planeten in der bewohnbaren Zone sind für Wissenschaftler*innen interessant, die sich mit der Entstehung erdähnlicher Planeten beschäftigen. Entgegen der Vorhersage gängiger Modelle scheint es aber in diesem System außer Wolf 1069 b keine weiteren Planeten mit ähnlicher Masse und Umlaufdauer zu geben. Die Autor*innen der Studie erklären das damit, dass es in der späten Entstehungsphase des Planetensystems zu größeren Kollisionen zwischen Protoplaneten gekommen sein könnte und nur Wolf 1069 b das überstanden hat. Die hohe Genauigkeit der Radialgeschwindigkeitsmessungen, die aufgrund der geringen Aktivität des Heimatsterns möglich ist,  macht das System besonders geeignet, um die Anwesenheit weiterer bisher unentdeckter Planeten auszuschließen und so diese Hypothese zu überprüfen. "Helfen werden uns dabei vor allem die Instrumente der nächsten Generation, die gerade entwickelt und gebaut werden. Mit ihnen wird es auch möglich sein noch mehr solcher potenziell lebensfreundlichen Welten wie Wolf 1069 b zu entdecken.“ resümiert Diana Kossakowsk. Sie und ihr Team sind gespannt und freuen sich schon darauf, welche weiteren faszinierenden Planeten sie in Zukunft noch finden werden.


ORIGINALE PUBLIKATION
The CARMENES search for exoplanets around M dwarfs, D. Kossakowski, M. Kürster, T. Trifonov, Th. Henning, J. Kemmer et al., Astronomy & Astrophysics, 2023, DOI https://doi.org/10.1051/0004-6361/202245322



HINTERGRUNDINFORMATIONEN
CARMENES ist ein neuartiges astronomisches Instrument, mit dessen Hilfe erdähnliche Planeten speziell Planeten um massearme Sterne aufgespürt werden können. Es ist am 3,5-Meter-Spiegelteleskop des Calar Alto Observatoriums nahe Almería in Südspanien im Einsatz. Das hochkomplexe Messgerät wurde von einem internationalen Konsortium aus elf deutschen und spanischen Institutionen geplant und gebaut. An Konstruktion und Betrieb sind vor allem auch Wissenschaftler*innen der Landessternwarte Königstuhl maßgeblich beteiligt. Sie haben einen der beiden CARMENES-Spektrographen gebaut und sind jetzt unter anderem dafür zuständig, die Qualität der Daten kontinuierlich zu überwachen und zu verbessern.

Seit 2016 suchen deutsche und spanische Wissenschaftler mit CARMENES nach Planeten um sonnennahe Sterne. Kooperationspartner sind die Universitäten Göttingen, Hamburg und Heidelberg, das Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg, die Thüringer Landessternwarte Tautenburg, das Instituto de Astrofísica de Andalucía,  das Institut de Ciències de l'Espai in Barcelona, das Instituto de Astrofísica de Canarias, die Universidad Complutense de Madrid, das Centro de Astrobiología Madrid, und das Centro Astronómico Hispano-Alemán (CAHA, Calar Alto Observatiorium). Mit dem jetzt entdeckten Planeten ist die Zahl ihrer Neuentdeckungen auf 33 gestiegen. Die Beteiligung der Universität Heidelberg an CARMENES wurde vom Land Baden-Württemberg, von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und von der Klaus-Tschira-Stiftung gefördert.

ERGÄNZENDE MEDIENINFORMATION
Pressemitteilung des MPIA: https://www.mpia.de/aktuelles/wissenschaft/2023-02-wolf1069b
Homepage of the Landessternwarte Königstuhl: www.lsw.uni-heidelberg.de
Homepage of CARMENES Consortium: https://carmenes.caha.es


WISSENSCHAFTLICHER KONTAKT
Jonas Kemmer
Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg (ZAH)
Landessternwarte Königstuhl (LSW)
jkemmer@lsw.uni-heidelberg.de

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