Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

WARPFIELD-EMP: Vorhersage der Emission von HII-Regionen in dichten Molekülwolken


Dieses Bild zeigt die Sternentstehungsregion 30 Doradus in der Großen Magellanschen Wolke, einer Satellitengalaxie der Milchstraße. Intensive Strahlung, die von massereichen Sternen in ihrem Zentrum ausgeht, bringt das sie umgebende Gas zum Leuchten. Der 30 Doradus-Komplex hat mehrere Phasen der Sternentstehung durchlaufen. (Bild: ESO)

Dieses Diagramm zeigt, wie die relativen Intensitäten verschiedener Emissionslinien, die von einer sternbildenden Wolke beobachtet werden, sich in kleinen Zeitabschnitten in der Entwicklung einer Sternentstehungsregion sehr schnell verändern können. Jeder Punkt stellt die Situation zu einem anderen Zeitpunkt nach der Clusterbildung dar. Die in diesem Diagramm dargestellte evolutionäre Zeitskala reicht von 10^5,6 bis 10^7,2 Jahre. Punkte mit roten Kreisen markieren Parameter, die von aktuellen astronomischen Instrumenten nicht beobachtbar sind. (Credit: E. Pellegrini et al.)

Sterne mit der mehrfachen Masse der Sonne spielen eine zentrale Rolle in der Entwicklung des interstellaren Mediums und der sogenannten „Selbstregulierung“ der Sternentstehung. Solche massereichen Sterne sind die Quelle starker Sternwinde, intensiver Strahlung und von Supernova-Explosionen und gehört zu den wesentlichen Prozessen, die die Sternentstehung auf Skalen einzelner Molekülwolken regulieren. Was wir jedoch gemeinhin als "Sternentstehung" beobachten, ist indirekt die Strahlung der massereichen Sterne, die in Form von Emissionslinien und der Strahlung von Staub nach Außen tritt. Gleichzeitig sind die zugrunde liegenden astrophysikalischen Mechanismen von überwältigender Komplexität und Interdependenz. Dies macht die korrekte Interpretation der Beobachtungsdaten nicht gerade einfach, was andererseits für unser Verständnis der Sternentstehung von zentraler Bedeutung ist.

Es gibt viele numerische Ansätze, die Art der Emission von Sternentstehungsgebieten vorherzusagen. Idealerweise würde man hochauflösende 3D-Simulationen als Grundlage für diese Vorhersagen verwenden. Modelle, die alle relevanten Prozesse (Photoionisation, Photodissoziation, Strahlungsdruck, Sternwinde, Supernovae, Schwerkraft, Strahlungsdruck) enthalten, sind jedoch simulationstechnisch sehr komplex und erlauben es nicht, einen großen Raum möglicher Zustände einer Sternentstehungregion zu erforschen. Als eine Art Kompromiss nutzen Computermodelle einen statischen Parameterraum und lassen zum Beispiel die allmähliche Ausdehnung einer ionisierten Wasserstoffwolke, einer sogenannten "HII-Region", oder Veränderungen in der eingebetteten Sternpopulation aufgrund des Alterns der Sterne oder aufeinander folgender Sternentstehungsphasen außer acht.

Um diese Schwächen zu kompensieren, hat eine Forschergruppe um Dr. Eric Pellegrini vom Institut für Theoretische Astrophysik (ITA) des Zentrums für Astronomie der Universität Heidelberg (ZAH) den "WARPFIELD -Emission Predictor", kurz „WARPFIELD-EMP“ entwickelt, einem numerischen Verfahren, das mehrere etablierte Computermodelle zur Lösung isolierter physikalischer Prozesse mit der dynamischen Entwicklung einer Sternentstehungsregion koppelt (WARPFIELD, CLOUDY, POLARIS).  Der Simulationscode löst eindimensional die Bewegungsgleichungen für eine kugelförmig angenommene Gashülle, die sich unter dem Einfluss von Sternwinden, Supernova-Explosionen, Strahlungsdruck und Schwerkraft entwickelt, beinhaltet Effekte des nicht-lokalen thermodynamischen Gleichgewichts bei der Ausbreitung der Strahlung sowie Plasmasimulationen und berücksichtigt Extinktionseffekte durch interstellaren Staub. Darüber hinaus wurde das Altern der Sterne und Effekte aufeinanderfolgender Sternentstehungsausbrüche berücksichtigt.

Mit ihrer Methode, individuelle Gas- und Molekülwolken entlang ihres natürlichen Entwicklungsprozesses zu modellieren, konnten Dr. Pellegrini und seine Kollegen bisherige Probleme bei der Interpretation der Daten aus HII-Regionen vermeiden und diese mit wichtigen physikalischen Parametern wie der Wolkenmasse oder dem Alter eines Sternhaufens in völlig selbstkonsistenter Weise verbinden.

Unter anderem konnten sie zeigen, dass es einen kausalen Zusammenhang zwischen dem Feedback und der Cluster-/Wolkenentwicklung gibt, die das ionisierende   Strahlungsspektrum, den Druck des interstellaren Mediums oder die Wolkenstruktur bestimmt. In massiven Wolken und Regionen hohen Drucks sind kollabierende Objekte aufgrund der hohen Extinktion bei optischen Wellenlängen oft nicht zu beobachten. Wolken mit niedriger Sternentstehungseffizienz können wiederum mehrere Sternentstehungsphasen durchlaufen. Der Sternhaufen kann dann möglicherweise die innere Bindung der Wolke nicht aufbrechen, die daher wieder zusammenfällt und neue Sterne bildet. Sternhaufen können demnach stellare Populationen enthalten, deren Alter sich um 1-10 Million Jahre wie z.B. in der Sternentstehungsregion 30 Doradus in der Großen Magellanschen Wolke unterscheidet.

Eric Pellegrini und seine Kollegen haben bereits damit begonnen, WARPFIELD-EMP anzuwenden, um die Emissionslinien zu reproduzieren, die z.B. für die Milchstraße oder die Galaxie NGC 628 gemessen wurden. Die Übereinstimmung mit den Daten ist sehr gut und erlaubt nun detaillierte Rückschlüsse auf die Abläufe bei der Sternentstehung.
 

Originalveröffentlichung
E W Pellegrini, D Rahner, S Reissl, S C O Glover, R S Klessen, L Rousseau-Nepton, R Herrera-Camus, WARPFIELD-EMP: The self-consistent prediction of emission lines from evolving H?ii regions in dense molecular clouds, Monthly Notices of the Royal Astronomical Society, Volume 496, Issue 1, July 2020

, Pages 339–363, doi.org/10.1093/mnras/staa1473


Kontakt
Dr. Guido Thimm
Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg (ZAH)
-ZAH Outreach -
thimm(at)uni-heidelberg.de

 

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